Michael Uhls spektakuläre Biografie der Spanienkämpferin Betty Rosenfeld Von Erich Hackl (junge Welt)
Mit seinem umfangreichen, reich illustrierten und überlegt gestalteten Buch über die aus Stuttgart stammende, in Auschwitz ermordete Krankenschwester Betty Rosenfeld (1907–1942) übertrifft der Historiker Michael Uhl alle herkömmlichen Biografien, und man weiß eigentlich nicht, was man mehr bewundern soll – die Ausdauer, mit der er unzählige Details aus dem Leben seiner Protagonistin zusammengetragen hat, oder sein Vermögen, Bettys Schicksal und das ihrer Familie in die deutsche, die jüdische, die europäische Zeitgeschichte einzubetten. Obwohl er dabei den Spuren hunderter Frauen und Männer folgt, deren Wege sich mit den ihren gekreuzt haben, verliert Uhl doch nie diese tapfere und humorvolle junge Frau aus den Augen, die in einem aufstrebenden bürgerlichen Elternhaus aufgewachsen war, nach Anfängen im deutsch-jüdischen Wanderbund und im Jugendverband der Deutschen Demokratischen Partei zur Kommunistin wurde, im Oktober 1935 nach Palästina emigrierte, sich dort nicht heimisch fühlte und anderthalb Jahre später in Spanien eintraf, wo sie während des Bürgerkriegs in Spitälern der Internationalen Brigaden arbeitete.
1938 lernte Betty den gelernten Kürschner Sally Wittelson aus Leipzig kennen, der in Nazideutschland Kurierdienste für die KPD geleistet und in Spanien im Thälmann-Bataillon gekämpft hatte. Ein knappes Jahr lang lebten die beiden in Frankreich zusammen, zuletzt in einem okzitanischen Dorf, »in dem es mehr Kühe gab als Einwohner«. Alle Bemühungen um Ausreise nach England oder in die USA scheiterten. Im Juni 1939 wurden sie von Gendarmen des Vichy-Regimes als unerwünschte Ausländer festgenommen, getrennt und der Reihe nach in Gurs und Le Vernet (Sally) bzw. in Oloron-Saint-Marie, Rieucros, Brens und Gurs (Betty) interniert. Im Sammellager Drancy, von wo die Deportationszüge in die deutschen Vernichtungslager abgingen, kam es drei Jahre später zum sehnlich erwarteten Wiedersehen. Am 9. September 1942 traf ihr Transport in Auschwitz-Birkenau ein; es gilt als sicher, dass sie sofort nach der Ankunft ins Gas geschickt wurden.
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