Zum Tod des Rechtsanwalts und Antifaschisten Heinrich Hannover – Von Frank Schumann (junge Welt)
Wolfgang Otto war 73, pensionierter Lehrer, ein ehrenwerter, frommer Mann, feinsinnig und humanistisch gebildet, dem – so war in seiner Heimatstadt Geldern zu vernehmen – dieser Prozess vorm Landgericht Krefeld aufgrund seines vorgerückten Alters nicht zuzumuten sei. Wolfgang Otto habe damals in Buchenwald, wie von ihm gewohnt, gewissenhaft und korrekt in der Schreibstube des Lagers nur seine Arbeit verrichtet.
Mit Verlaub: Als SS-Stabsscharführer war er die rechte Hand des Kommandanten. Fünf Jahre lang. Und er hatte am 18. August 1944 mit vier Genickschüssen Ernst Thälmann ermordet. »Ist zu exekutieren«, hatte SS-Oberscherge Heinrich Himmler auf einer Liste hinter den Namen des KPD-Parteivorsitzenden gesetzt. Ach, das sei kommunistische Propaganda, bekam ich zu hören.
»… ist zu exekutieren. Ein Steckbrief der deutschen Klassenjustiz« hieß auch ein Buch, das der DDR-Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul in FDJ-Verlag Neues Leben herausgegeben hatte. Den Ermittlungsbehörden in der DDR war der Thälmann-Mörder bekannt, sie stellten einen Auslieferungsantrag, auf den nicht reagiert wurde. Auch in der Bundesrepublik war seit 1959 gegen Wolfgang Otto ermittelt, sechsmal das Prüfverfahren eingestellt worden. Der BRD-Rechtsanwalt Heinrich Hannover hatte zweimal bei Oberlandesgerichten Prozesse erzwungen, die aber wegen »unzumutbarer Belastung« des Angeklagten mit Freisprüchen endeten. Nun aber, Mitte der 80er Jahre, wurde vorm Landgericht in Krefeld wieder verhandelt. Heinrich Hannover trat als Nebenklagevertreter der Tochter des Opfers auf, er hatte das Verfahren mit einer Klage vorm Oberlandesgericht Köln erstritten.
Hier geht es zum Artikel in der jW: https://www.jungewelt.de/artikel/443092.nachruf-ein-politischer-kopf.html