Gedenken am 26. Januar 2014 auf dem Friedhof Bremen-Osterholz

5. Februar 2014

Hermann Bertus sprach für die VVN – BdA Ostfriesland diese Worte an dem Sammelgrab, in das die fünf Ukrainer umgebettet wurden, die in Emden 70 Jahre zuvor aufgehängt worden waren.

Liebe AntifaschistInnen, liebe FreundInnen,

ich spreche hier für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschisten Kreisvereinigung Ostfriesland. Der Faschismus benutzt unterschiedliche ideologische Mittel, um sich eine Unterstützung in breiteren Teilen der Bevölkerung aufzubauen. Eines dieser Mittel ist der Rassismus. Der Faschismus und der Rassismus prägte das Verhältnis zu den fünf jungen Ukrainern die in Emden ermordet wurden. Bei der Verfolgung von angeblichen Straftat der 5 jungen Ukrainer in Emden schlug der Rassismus mit ganzer Wucht zu. Die Opfer, an die wir hier mahnend erinnern, gehörten zu den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, Häftlingen, Kriegsgefangenen und Deserteuren, die bei Todesmärschen, Erschießungen und Massakern sterben mussten.

Ein „Stilles Gedenken“ in geschlossener Gesellschaft ist sicherlich lobenswert. Das reicht aber nicht! Wir können die zahllosen Opfer nicht wieder zum Leben erwecken. Aber wir sind ihnen 70 Jahre nach ihrem Tod eines schuldig: In einem „öffentlichen Gedenken“ das Versprechen zu geben, das dass, was passierte, sich nie wiederholen darf. Dafür stehen wir hier. Gemeinsam streiten wir für die “Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln”. Diese Wurzeln sind noch da. Sie werden in jedem Überfall auf Ausländer sichtbar, im Antisemitismus vieler Mitbürger, in jeder geduldeten Zusammenrottung von Neonazis und in jedem kriegerischen Akt, an dem auch unser Land leider schon wieder mitwirkt.

Nach 1945 wurden an einigen Orten, vor allem auf Friedhöfen, erste Denkmäler für NS-Opfer errichtet, aber der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurde nicht gedacht. In Emden wie überall wurden die Täter beweint und die Opfer verschwiegen. Erst seit den 1980er Jahren machten zahlreiche lokale Erinnerungsinitiativen die Allgegenwart der Lager und das Schicksal der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der deutschen Kriegsgesellschaft immer mehr bewusst. In vielen Orten wurden Lokalstudien, Spurensuchen und Zeitzeugenbegegnungen unternommen, oft von Ablehnung durch die lokalen Kommunen und Politiker. Da der Faschismus und der Widerstand in Emden ebenfalls unzureichend erforscht war widmete sich die Ubbo- Emmius-Gesellschaft dieser Aufarbeitung. Ohne eure Arbeit würden wir hier heute nicht stehen, dafür recht herzlichen Dank. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!

Michael Skoruppa sprach für die Ubbo Emmius Gesellschaft Emden.
Wir stehen hier an einer Sammelgrabstelle in der auch für 5 junge Ukrainer ihre letzte Ruhe fanden. Sie sind heute vor 70 Jahren, am 26. Januar 1944, in Emden in der Ziegeleistraße erhängt worden. Wir verneigen uns vor den Opfern dieses abscheulichen Verbrechens.
Vor 75 Jahren begann Deutschland den zweiten Weltkrieg. Millionen deutsche Männer wurden Soldaten, die in fremde Länder einfielen und die Völker unterjochten. 1941 fielen sie in den Osten Europas ein. Zu Hause fehlten diese Männer für die Kriegswirtschaft. Also ging man dazu über, auf den Straßen im Osten Europas junge arbeitsfähige Männer und Frauen einzufangen und nach Deutschland zu verschleppen, wo sie in Zwangsarbeitslagern gehalten wurden. Auch in Emden gab es solche Lager in großer Zahl.
Am 26. Januar 1944 wurden fünf junge Ukrainer aus den Früchteburg-Lagern in der Ziegeleistraße erhängt. Diese Gräueltat war die erste, grundlegende Schuld.
Unmittelbar daran schloss sich eine zweite Schuld an: die Jahrzehnte lange Unterdrückung der Erinnerung an das Verbrechen. Im Jahre 1954 stellte das kommunistische Ratsmitglied Gustav Wendt die Frage an den Rat der Stadt, wo die fünf Ukrainer beerdigt seien. Er erhielt keine eindeutige befriedigende Antwort. Statt dessen zeigte sich ein Ratsherr B. „erschüttert“ über die Anfrage. Es folgte eine Tirade über die vergessenen deutschen Gräber im Osten.
Die Frage der Bestattung der Opfer wurde dann im April 1961 durch ihre Umbettung nach Bremen – Osterholz endgültig gelöst. Die Nationalität ist den fünf Ukrainern dabei freilich verloren gegangen. Die Umbettung muss mit großer Heimlichkeit durchgeführt worden sein. In keiner Zeitung war etwas darüber zu lesen, Unterlagen darüber sind nicht zu finden.
Aber so ganz und so schnell ließ sich die Erinnerung an die Mordtat nicht verdrängen. 1985 gab der kommunistische Widerstandskämpfer Friedrich Loop, der kürzlich einen Stolperstein erhielt, seine Erinnerungen unter dem Titel „Über Naziterror und Widerstand“ heraus. Im Kapitel „Kindermord für eine Hand voll Zucker“ schilderte er die Ereignisse um den 26. Januar 1944. Günter Heuzeroth berichtet ebenfalls darüber. Er habe im Emder Standesamt die Unterlagen einsehen können. Nachzulesen ist das in seinem Buch über Zwangsarbeiter „Die im Dreck lebten“. (Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus 1939-1945, Band IV/4. Dargestellt an den Ereignissen in Weser-Ems, Oldenburg, 1995. ) Die Einsichtnahme in die Unterlagen wurde mir vom damaligen Standesbeamten vor langen Jahren nicht gestattet, mit dem Hinweis auf den Datenschutz. Erst nachdem die Sterberegister-Auszüge ans Stadtarchiv abgegeben werden mussten, konnte ich sie einsehen und auf unserer Internet-Seite veröffentlichen.
Im Jahr 2010 schließlich konnten Hans-Gerd Wendt und ich ein Interview mit einem Augenzeugen führen. Herr Brahms ließ im gleichen Jahr auf dem Friedhof Emden-Tholenswehr einen Stein errichten, der an die fünf ermordeten Ukrainer erinnert.
70 Jahre sind vergangen, bis heute das Gedächtnis wieder gekehrt ist , hoffentlich endgültig, Wir haben die fünf jungen, ermordeten Ukrainer nicht vergessen.
Für die VVN- BdA Bremen trugen trugen Marion Bonk und Raimund Gaebelein Gedichte vor, die anlässlich eines Besuches in Neuengamme entstanden sind.
Gedichte von Ina Stabergh aus dem Band „Ich kam zurück“, März 2006, EPO VERLAG, ANTWERPEN
Waren sie denn völlig blind? Wir fuhren an Häusern vorbei für Zwerge gebaut, mit Spitzengardinen und überall roten und weißen Petunien. Auf kurz gemähtem Rasen standen Bänke unter alten Bäumen. Es gab auch einen Laden, ein Café und einen Friseursalon für Damen und Herren. Von Vater auf den Sohn vielleicht.
Die Häuser am Ende der Straße, wo das Lager anfing, schienen wohl aus den roten Klinkern der Munitionsfabrik erbaut. Ich kam zurück 1945 – 2002 Ich kam zurück von Neuengamme und konnte nicht mehr sprechen über den Schmerz den der Mensch dem Menschen zugefügt hat.
Ich sah und hörte Dinge die nur im Wahn möglich sind.
Ich hörte die Geschichte von einem Mann der wieder nach Hause kam und nur noch stottern konnte mit Gebärden über schaufeln und schaufeln und Beton.
Ich hörte die Geschichte von dem Henker der die Schlinge um Kinderhälse zuzog indem er sich an ihre Beine hängte
Ich hörte die Geschichte vom Lagerkommandanten der außerhalb des Lagers mit seinen Kindern spielte, Musik hörte und eine Frau liebte, nachdem er mit lauter Stimme den Tod dirigiert hat.
Ich hörte die Geschichte von tausenden Toten die als Asche in den Gärten verstreut wurden.
Gegenüber dem Lager über gut gepflügten Äckern flogen Möwen, ein Reiher und ein Storch hin und her immer wieder.
Ich wusste ich sollte sprechen mit Worten die zwischen den Steinen lagen, in den Bäumen hingen, in den Sträuchern um die Bunker und am Rande des Weges. Soviel Schmerz in den Zweigen, in den Blättern und im Gras. Auch zwischen den Wurzeln hörte ich tausende von Stimmen.
Um zu wissen und sprechen zu können, müssen wir Zeugen bleiben denn verbrecherische Gewalt kennt keine Zeit.
Niemals wird man es erfahren Zu beiden Seiten des Wegs Ein Stück vom Dorf entfernt. Genug von allem: essen, trinken, säen, Kinder und Ernte. Bei manchen etwas mehr, bei einigen nicht viel. Der Krieg fast vorüber und Kirmes im Nachbarort. Niemals wird man es erfahren…
Bis hier und da, wie überall, ein bisschen Neid und dann die Tat nicht geplanten Widerstands danach Rache, Stiefel und Tod mit Aufschub oder gleich.
In jeder Straße, in sehr vielen Häusern Tritte im Flur beschmutzt durch Nazistiefel.
Niemals wird man erfahren wer die Mühle in Gang gesetzt hat.