Polens Regierungspartei will vor Wahlen kritische Faschismusforscher zum Schweigen bringen – unter anderem mit Budgetkürzungen
Von Reinhard Lauterbach, jungeWelt 17.05.2023
Die aktuelle Sonderausstellung des Jüdischen Museums »Polin« in Warschau ist dem Schicksal der Zivilisten während des Aufstands im Warschauer Ghetto vor 80 Jahren gewidmet. Sie ist generell sehr karg gehalten, besteht im wesentlichen aus einigen düster gestalteten Räumen, die die Atmosphäre der Bunker beschwören, in denen die Ghettobewohner sich versteckten. Exponate gibt es kaum, nur ein paar Gebrauchsgegenstände, die beim Ausschachten der Baugrube für das Museum, das im Zentrum des damaligen Ghettogeländes steht, gefunden wurden: ein zerbrochener Kamm, ein verrostetes Rasiermesser, ein Brillengestell. Die Ausstellung richtet sich mehr an die Empfindung als an das Bewusstsein.
Nur der erste Raum ist in der Konvention einer historischen Ausstellung gehalten: mit Schrifttafeln und Fotos. Die Bilder zeigen immer wieder ein Karussell und eine Schiffsschaukel – Elemente eines Rummelplatzes, den die Besatzungsbehörden am Rande des Ghettos auf der »arischen Seite« eingerichtet hatten und auf den Czeslaw Milosz in seinem berühmten Gedicht »Campo dei Fiori« anspielt. Die Texte dieses ersten Raumes handeln von einer gigantischen Enttäuschung jüdischer Polen über die Gleichgültigkeit ihrer nichtjüdischen Landsleute. »Sie schauen auf uns wie auf einen exotischen Stamm irgendwo in Afrika«, lautet eine der Tagebuchnotizen eines Zeitzeugen, ein anderer verglich die kalten Blicke der nichtjüdischen Warschauer auf die Zwangsmärsche der Ghettobewohner in die Züge zum Vernichtungslager Treblinka mit denen der Zuschauer bei den römischen Gladiatorenspielen.
Hier geht es zum Artikel in der jW: https://www.jungewelt.de/artikel/450966.geschichtspolitik-sturm-der-emp%C3%B6rung.html