NRW-Finanzämter drohen der VVN-BdA mit Entzug der Gemeinnützigkeit
27. Februar 2019
Anfang des Jahres, pünktlich zum Gedenktag für die Befreiung des KZ Auschwitz, drohten nordrhein-westfälische Finanzämter damit, dem Landesverband NRW der VVN-BdA sowie mehreren selbständigen Kreisvereinigungen die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Und zwar dies rückwirkend.
Einzig aufgeführte Begründung ist die Erwähnung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (VVN-BdA) in einem Verfassungsschutzbericht, jenem des Landes Bayern.
Als traditionsreiche und älteste Organisation des deutschen Widerstandes und der Naziopfer fordern wir die sofortige Einstellung der gegen die VVN-BdA gerichteten Maßnahmen. Eine solche konzertierte Aktion hat es in Nordrhein-Westfalen nicht einmal in Zeiten des Kalten Krieges gegeben.
Die VVN-BdA NRW e.V. kann auf mehr als 70 Jahre der kontinuierlich geleisteten demokratische Erinnerungs- und Gedenkarbeit sowie der Sozialarbeit für die Opfer des Nazismus zurückblicken.
Unsere Vereinigung wurde 1947 von den Überlebenden der Konzentrationslager und Mitgliedern des Widerstandes gegen Faschismus und Krieg, von Verfolgten und Holocaustüberlebenden, ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und aus der Emigration Heimgekehrten gegründet.
Eine aus der Geschichte gezogene Lehre war und ist für unsere Organisation, überparteilich und konfessionell ungebunden einen antifaschistischen Grundkonsens zu verteidigen. In Artikel 139 Grundgesetz sind die alliierten Bestimmungen zum Verbot der NSDAP und möglicher Nachfolgeorganisationen und -parteien eindeutig bestätigt.
Für dieses und andere Ziele, insbesondere für den Frieden, die Völkerverständigung und die Hilfe für Geflüchtete und Verfolgte setzt sich die VVN-BdA seit ihrer Gründung unermüdlich ein. Wir arbeiten engagiert mit im Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte, um auch heute noch für die soziale Betreuung der Verfolgten und ihrer Hinterbliebenen zu sorgen.
Viele Mitglieder der VVN waren als Zeitzeugen in Schulen, bei Veranstaltungen und auf Kundgebungen gegen Neonazi-Aufmärsche und für den Frieden aktiv. Dies geschah bereits in einer Zeit, da in den Regierungsparteien noch ehemals hohe Nazis mitwirkten.
Besonders erinnern möchten wir an
• Kaplan Dr. Josef Rossaint (1902-1991), der als katholischer Jugendführer den Widerstand in Düsseldorf und Oberhausen anführte. Er war viele Jahre lang aktiv in der VVN NRW und war Präsident der Bundesorganisation der VVN-BdA.
• Die Ehrenvorsitzende der VVN-BdA ist Esther Bejarano, Überlebende von Auschwitz, hochgeachtete Künstlerin.
• An der Gründung der VVN-BdA in NRW war der Ministerpräsident Rudolf Amelunxen beteiligt.
Zu den weiteren hochgeachteten Zeitzeugen aus unserer Organisation gehörten u.a.:
• Hans Frankenthal, Auschwitzüberlebender und Mitglied des VVN-Landesverbandes wie des Zentralrates der Juden in Deutschland.
• Jupp Angenfort und Karl Schabrod, ehemalige Mitglieder des Landtags NRW, Mitwirkende bei der Schaffung der Landesverfassung.
• Kurt Bachmann, Köln, politisch und rassisch Verfolgter, Auschwitzüberlebender.
• Bruno Bachler, Duisburg, Edelweißpirat.
• Ernst Buschmann, ehem. Landtagsabgeordneter, Kommandeur im Kampf für die demokratische spanische Republik und Mitkämpfer der Resistance.
• Henny Dreifuss, Holocaustüberlebende und ehem. Widerstandskämpferin, Mitglied der Resistance, Düsseldorf.
• Fasia, Sängerin der Friedensbewegung, ehem. Häftling im KZ Neuengamme.
• Theo Gaudig, Essen, Überlebender von Buchenwald.
• Heinz Junge, Dortmund, Widerstandskämpfer und nach dem Krieg am Aufbau der Gedenkstättenarbeit in Dortmund beteiligt.
• Hugo Paul, Minister der ersten NRW-Landesregierung.
• Max Reimann, Widerstandskämpfer, Mitglied des parlamentarischen Rates zur Schaffung des Grundgesetzes.
• Klara Schabrod, Widerstandskämpferin, Düsseldorf.
• Maria Wachter, Widerstandskämpferin, Düsseldorf (in der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf steht ihr Denkmal).
Unser Mitglied Alice Czyborra geb. Gingold hat als jüdisches Kind im Versteck in Frankreich überlebt und ist bis heute als Zeitzeugin aktiv. Angesehene Kommunalpolitiker und Gewerkschafter unseres Bundeslandes wirken in der VVN-BdA mit.
Seit zehn Jahren arbeitet die Gruppe Kinder des Widerstandes mit der VVN-BdA zusammen, um die Erinnerung an ihre Eltern wachzuhalten.
In den einzelnen Kreisverbänden wurde und wird von Überlebenden, in Zusammenarbeit mit Antifaschisten der nachfolgenden Generationen,
• die Auseinandersetzung mit den Ursachen von Faschismus und Krieg geführt,
• Aufklärung über neofaschistische Strukturen und Aktivitäten betrieben,
• werden Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Faschismus abgehalten,
• wird im Sinne der Losung ‚Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg‘ wertvolle ehrenamtliche Arbeit, auch in örtlichen wie landesweiten Bündnissen, geleistet.
Unvergessen sind die Reden von VVN-BdA-Repräsentantinnen und -Repräsentanten auf den großen Kundgebungen der Friedensbewegung.
Der Versuch der NRW-Finanzämter, unserem hochgeachteten und traditionsreichen Verband die Gemeinnützigkeit in NRW abzuerkennen, geschieht, obgleich die VVN-BdA NRW nicht im Landesbericht des NRW-Verfassungsschutzes erwähnt wird.
Wir rufen die demokratische Öffentlichkeit, vor allem die Friedensbewegung und die Gewerkschaften auf, das Vorgehen gegen die VVN-BdA zu verurteilen und sie in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Landesausschuss der VVN-BdA NRW
Oberhausen, den 11. Februar 2019