Kündigung des DIZ:   

16. Juni 2023

Dank und Informationen zum Stand  an Mitglieder und Unterstützer:innen

Liebe Mitglieder, Freunde und Fördernde des Aktionskomitees, liebe Unterstützer:innen des DIZ Emslandlager,

zunächst und vor allem möchte ich mich bei Euch und Ihnen für die überwältigende Unterstützung des DIZ und des Aktionskomitees aufrichtig bedanken. Mittlerweile haben bundesweit und international fast 800 Personen und Organisationen unserem Unterstützungsaufruf zugestimmt. Das macht Mut, gibt Kraft und bestätigt uns. Dabei hatten wir lediglich unsere Mitglieder angeschrieben. Teils im Minutentakt haben uns dann Mails erreicht, die oft mit eigenen Beiträgen versehen waren: Empörung, Entsetzen, Unverständnis, Solidarität, Aufmunterung, Würdigung. Eine Auswahl von Auszügen ist diesem Schreiben beigefügt.

Jede einzelne dieser Bekundungen ist uns wichtig, aber ich möchte besonders die vielen persönlichen Äußerungen von Angehörigen der Opfer, von Lagergemeinschaften und anderen Verbänden der Erinnerung hervorheben. Ich denke, wir wissen uns alle eins darin, dass es in diesem Konflikt um den Fortbestand des DIZ nicht um ein Büro, sondern um etwas geht, das für eine verlässliche und würdige Erinnerung an die Opfer der Emslandlager und darüber hinaus an alle Verfolgten des Nationalsozialismus unverzichtbar ist – um den unbedingt zu wahrenden Respekt vor den Stimmen und Zeugnissen der Häftlinge und Gefangenen, die es zu bewahren gilt, und vor denjenigen, die dies aus eigenem Engagement heraus zu ihrer Aufgabe gemacht haben.

Heute ist der Tag, den die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen uns am 9. Mai als Räumungstag gesetzt hat. Neunzig Jahre nach dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft und der Einrichtung der ersten drei emsländischen Konzentrationslager, an deren Opfer das Aktionskomitee und das DIZ seit mehr als vier Jahrzehnten erinnern, werden wir von der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen gezwungen, uns eine neue Arbeitsstätte außerhalb der Gedenkstätte zu suchen – einer Gedenkstätte, für deren Ermöglichung, Aufbau und Etablierung das DIZ und der Verein sowie das nationale und internationale Engagement von zahlreichen Verfolgten und ihren Angehörigen sowie von einer großen Zahl von Mitgliedern des Vereins, Kooperationspartner:innen und vielen Einzelnen unverzichtbar waren.

Heute ist ein Tag des Rückschritts. Die Kündigung bedeutet einen beispiellosen Rückschritt für die Gedenkstättenarbeit im Emsland, in Niedersachsen und in der Bundesrepublik. Leider haben alle Zustimmungen und Bekundungen, aber auch die zahlreichen Stellungnahmen von ganz verschiedenen Seiten wie auch die Unterstützung durch viele politische Abgeordnete und von Gewerkschaften die Verantwortlichen der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen nicht dazu bewogen, die Kündigung zurückzunehmen. Nicht nur ist stattdessen mit unbegründeten Vorwürfen gegen uns vorgegangen worden, die übler Nachrede nicht fern sind. Auch ist die Unterstützung für das DIZ, sind die mahnenden Stimmen der Angehörigen und der Opferverbände bezeichnender Weise völlig ignoriert worden. Der heutige Tag ist aber auch ein Rückschritt, weil er deutlich macht, wie willens die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen offenbar ist, sowohl lebendige Strukturen des bürgerschaftlichen Engagements und eine über Jahrzehnte gewachsene professionelle Kompetenz als auch das kulturelle Gedächtnis des DIZ achtlos vor die Tür der Gedenkstätte zu setzen. Unsere wiederholt signalisierte Gesprächsbereitschaft ist in einer Weise missachtet worden, wie dies selbst in den umkämpften Anfangszeiten in dieser Form kaum der Fall war.

Heute ist ein Tag der Weigerung. Wir haben die Kündigung umgehend zurückgewiesen und erkennen sie nicht an. Ihre Rechtmäßigkeit wäre überhaupt noch juristisch zu prüfen. Einig war sich die von uns herangezogene juristische Beratung darin, dass allein schon die Fristsetzung von fünf Wochen völlig unangemessen und daher unhaltbar ist. Wir werden die Anordnung, das Büro zu räumen, schon aus diesem Grund verstreichen lassen und weiterhin dessen Nutzung beanspruchen. Zugleich können sich alle darin gewiss sein, dass wir nicht mit leeren Händen dastehen werden, wenn die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen die Räumung des Büros zu erzwingen versucht. Wir sind jederzeit dazu in der Lage, ein neues Büro für das DIZ außerhalb der Gedenkstätte zu eröffnen.

Heute ist ein Tag des Aufbruchs. Wir haben mit unserer zweiten Pressemitteilung, die hier beigefügt ist, und in vielen Gesprächen die Idee eingebracht, ein „Haus der Erinnerungen“ zu schaffen. Eine Ideenskizze ist diesem Schreiben beigefügt. Geht es nach uns, wird es auf dem Gelände der Gedenkstätte Esterwegen stehen. Doch der Landkreis Emsland und die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen, zwischen denen nicht mehr zu unterscheiden ist, haben es sofort zurückgewiesen, ein solches Projekt gemeinsam zu realisieren (ohne dass darüber gesprochen worden wäre oder die Stiftung unsere ersten Überlegungen dazu bereits kennt). Das wird uns nicht davon abhalten, es weiter zu verfolgen und ein „Haus der Erinnerungen“ zu schaffen. Zwingt uns eine Durchsetzung der Kündigung durch die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen dazu, die Gedenkstätte zu verlassen, um weiterhin als DIZ und als Verein geschäfts- und arbeitsfähig zu sein, werden wir von einem neuen Standort aus alles daransetzen, mit dem „Haus der Erinnerungen“ wieder in die Gedenkstätte zurückzukehren.

Einige Stellungnahmen vor allem aus dem politischen Raum, die auch über unseren Unterstützungsaufruf hinaus auf den Konflikt reagiert haben, betonen die Notwendigkeit, zu Gesprächen zurückzukehren und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Wir sind dafür immer offen gewesen und haben das wiederholt angeboten, zuletzt in einem bisher unbeantworteten Schreiben an die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen vom 12. Juni. Seit gestern liegt ein Angebot für eine Mediation zwischen der Stiftung und uns durch den Vorsitzenden des Landesverbands der jüdischen Gemeinden, Michael Fürst, vor, zu der wir uns bereits bereit erklärt haben.

Gleichwohl: Rückschritt, Weigerung, Aufbruch – sechs Tage, bevor sich der erste Transport von Häftlingen in das KZ Börgermoor am 21. Juni 1933 zum neunzigsten Mal jährt, geben sich der Landkreis Emsland und die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen unnachgiebig, verweigern sich Gesprächen und bleiben dabei, eine Institution, die exemplarisch für die demokratische Erinnerungskultur der Bundesrepublik steht, aus der Gedenkstätte Esterwegen zu eskamotieren.  

Als Bürger dieses Staates beschämt mich das – als Vorsitzenden eines so beispielhaften wie bedeutsamen Vereins, der sich einer beeindruckenden Unterstützung gewiss sein kann und über einen herausragenden, engagierten und qualifizierten Vorstand verfügt, motiviert es mich, wenn wir aus unsachlichen Motiven verdrängt und daran gehindert werden sollen, das zu tun, wozu wir uns verpflichtet sehen. Lasst uns deshalb weiterhin gemeinsam für ein dauerhaftes und würdiges Gedenken und Erinnern an die Häftlinge und Gefangene der Emslandlager sorgen, das einen Wert in sich hat und dem Forschen, Lernen und Nachdenken im Heute dient. Wir werden dazu auch weiterhin Eure und Ihre Unterstützung benötigen.

Mit kollegialen und herzlichen Grüßen

Habbo Knoch

PS: Unsere Beiträge und der Verlauf des Konflikts werden auf der Website des DIZ fortlaufend dokumentiert (https://diz-emslandlager.de). – Dem Unterstützungsaufruf kann weiterhin per Mail zugestimmt werden (mail@diz-emslandlager.de).