Grußbotschaft von Martine Letterie zum Tag der Befreiung
9. Mai 2021
Die niederländische Kinderbuchautorin Martine Letterie hätte bereits im letzten Jahr eine Rede auf der Begräbnisstätte Esterwegen halten wollen, das sollte eigentlich in diesem Jahr nachgeholt werden, aber auch jetzt war es aufgrund der Pandemie nicht möglich. Mevrouw Letterie hat den Organisatoren, die gestern eine stille Gedenkkundgebung auf der Begräbnisstätte abhielten, eine Grußbotschaft geschickt.
Verehrte Anwesende,
heute ist es 76 Jahre her, dass die Wehrmacht kapitulierte und dass Europa befreit wurde. Das ist ein guter Augenblick, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Sehr gern hätte ich selbst hier gestanden, um dies mit Ihnen gemeinsam zu tun.
In den Emsland-Lagern wurden die ersten Opfer des Nationalsozialismus eingesperrt: Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten. Sie hatten die Gefahr des Nationalsozialismus erkannt.
Weil sie versuchten, ihren Landsleuten hierfür die Augen zu öffnen, kamen sie in diese Konzentrationslager. Einige konnten entkommen und flüchteten in die Niederlande, wo ihnen – wenn sie Glück hatten – von der internationalen Roten Hilfe, einer kommunistischen Organisation, geholfen wurde.
Diese Deutschen waren mutig, sie wagten unter Gefahr ihres eigenen Lebens ihre Meinung zu äußern. Auch Niederländer waren mutig, weil sie gegen die Regierungspolitik handelten. Wenn die Flüchtlinge in die Hände der niederländischen Polizei fielen, wurden sie wieder über die Grenze gebracht. In Amsterdam ließ der Polizeipräsident absichtlich diese Flüchtlinge jagen.
Die Tochter eines niederländischen Ehepaars, das in der Roten Hilfe aktiv war, sagte zu mir: „Meine Eltern leisteten schon vor dem Krieg Widerstand“. Viele von diesen Deutschen und Niederländern haben in den Konzentrationslagern ihr Leben verloren; mein Opa Martinus Letterie war einer von ihnen.
Es ist wichtig, ihre Geschichten weiter zu erzählen, gerade in einer Zeit, in der unsere Freiheit und Demokratie nicht mehr so selbstverständlich sind wie in den vergangenen Jahren. Persönliche Erzählungen lehren uns, was gut und böse ist.
So wie der niederländische Schriftsteller Theodor Holman sagt: „Wer die Geschichte kennt, begreift besser, was er in Friedenszeiten tun muss.“