Die historische Dimension des Lübcke-Mordes

16. Juni 2020

Magazin »der rechte rand« Ausgabe 180 – September / Oktober 2019

#AuchImFadenkreuz

Der Mord an dem hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) markiert einen historischen Wendepunkt in der Geschichte des Rechtsterrorismus.

Antifa Magazin der rechte rand
Neonazis machen auf ihren Klamotten schon deutlich was sie wollen – wie hier bei »Thor Steinar« © Mark Mühlhaus / attenzione

Extrem rechte Hetze und Gewalt gegen Politiker*innen sind nichts Neues. Das verdeutlichen Sprüche aus den 1920er Jahren: »Knallt ab den Walther Rathenau. Die gottverfluchte Judensau!« oder »Nieder mit Erzberger, dem Reichsverderber, dem Helfer unserer Feinde.« Schon in der Weimarer Republik zählten Regierungspolitiker*innen zu erklärten Feinden der extremen Rechten. Sie galten als Vertreter*innen des »Systems«, das als Gegenbild zu der Idee einer völkischen Gemeinschaft gezeichnet wurde. Als »Systempolitiker« oder »Systemparteien« beschimpften die Nationalsozialist*innen jene politischen Kräfte, die für die Weimarer Republik standen – ein Vokabular, dessen sich heute NPD und »Alternative für Deutschland« (AfD) gerne bedienen. In der Bundesrepublik riss der Hass auf die Regierenden nicht ab. »Brandt an die Wand« wetterten alte und neue Nazis Ende der 1960er Jahre gegen den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD). Auch über Walter Lübcke hieß es seit 2015, er sei ein »Volksverräter«, weil er sich für Flüchtlinge ausgesprochen hatte. Doch bei allen Kontinuitäten markiert der Mord an Lübcke einen Wendepunkt in der Geschichte der Bundesrepublik. Wenn es sich als bewiesen herausstellt, dass der Neonazi Stephan Ernst ihn tatsächlich ermordet hat, dann ist der Regierungspräsident der erste regierende Politiker seit 1949, der ein Todesopfer rechtsterroristischer Gewalt wurde.

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