Georg Elser: Nur die letzten Meter allein
10. November 2019
Mit der Rede, die der Bundespräsident am Montag in Georg Elsers Geburtsort Hermaringen gehalten hat, ist das fehlgeschlagene Sprengstoffattentat auf Hitler vom 8. November 1939 endgültig in die offiziöse Erzählung über den deutschen Widerstand gegen die Naziherrschaft aufgenommen worden. Gegen Elser sprach vom Standpunkt eines Geschichtsmythos, der einst nur die Offiziersopposition und konservative Reaktionäre wie Carl Friedrich Goerdeler und Johannes Popitz als »Widerstand« akzeptiert hatte, noch bis in die 90er Jahre viel: Er war Arbeiter, er stand der KPD eine Spur zu nah, und er handelte zu einem Zeitpunkt, als von einer organisierten bürgerlichen Opposition gegen die Nazis überhaupt noch keine Rede sein konnte.
Eine Ausnahme?
Inzwischen hat sich dieses Geschichtsbild bis zu einem Punkt »demokratisiert«, an dem sich zwei dieser drei Nachteile in Vorteile verwandeln: Frank-Walter Steinmeier pries Elser als einen »einfachen Mann«, der dadurch, dass er früh gesehen habe, »was andere nicht sehen konnten oder wollten«, und dann in Eigenverantwortung gehandelt habe, eine »Ausnahmeerscheinung« sei. Dass Elser aus der Arbeiterbewegung kam, dass er die KPD gewählt hatte und sogar einmal Mitglied des Roten Frontkämpferbundes gewesen war (dessen Abzeichen er bei seiner Verhaftung in Konstanz am Abend des 8. November 1939 bei sich trug), hat Steinmeier allerdings auch am Montag wieder unter den Tisch fallen lassen. Elser soll nun als »besonderer Mensch« (Steinmeier), als »die Ausnahme von der Regel« (auch Steinmeier) gewürdigt werden – nicht mehr. Die, die jetzt jubeln, mit Elser werde endlich auch der Arbeiterwiderstand anerkannt, werden sich getäuscht haben. Genau das will Steinmeier nicht: »Er tat, was er tat, als Georg Elser.«
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