Vor 30 Jahren fand der Brandanschlag von Solingen statt
29. Mai 2023
Wie das Asylrecht abgeschafft wurde
von Ulrich Schneider (UZ) 29.05.2023
Der rassistische Brandanschlag von Solingen vor 30 Jahren war ein blutiger Höhepunkt einer Welle von rassistischen Übergriffen, die man mit vier Ortsnamen verbindet: Hoyerswerda, Mölln, Rostock-Lichtenhagen und Solingen. Doch waren dies nur die spektakulärsten Fälle. In der politischen Bilanz sah es viel dramatischer aus. Zwischen 1991 und 1993 gab es in ganz Deutschland etwa 4.700 neofaschistische und rassistische Anschläge mit mindestens 26 Toten und etwa 1.800 Verletzten, von Alltagsgewalt bis zur brutalen Misshandlung und Brandstiftungen.
Für diese Situation trugen auch die Regierenden Verantwortung. Denn statt sich dem rassistischen Mob mit aller notwendigen Klarheit und mit Hilfe der ihnen zur Verfügung stehenden Sicherheitsorgane entgegenzutreten, ließ man beispielsweise in Rostock-Lichtenhagen diejenigen Kräfte mehrere Tage gewähren, die glaubten, man könne Menschen in diesem Land das Recht der Existenz bestreiten. Die angegriffenen Migranten schützte die Polizei vor den Übergriffen nicht.
Inge Krämer von der Solinger VVN-BdA erklärte dazu im Rückblick: „Es herrschte ein rassistisch aufgeheiztes Klima. Hetzkampagnen wurden gestartet. Die Bildzeitung titelte: ‚Fast jede Minute ein neuer Asylant – Die Flut steigt, wann sinkt das Boot?‘. Aber auch die ‚Frankfurter Allgemeine‘ und der ‚Spiegel‘ trugen zur Panikmache gegen Ausländer bei. Edmund Stoiber (CSU) sprach im schönsten Nazideutsch von einer Gefahr der ‚Durchrassung‘ und Durchmischung der deutschen Gesellschaft.“ Die Politiker der Regierungsparteien nahmen diese rassistischen Übergriffe und Unruhen zum Anlass, um die eigenen Pläne zur Einschränkung des Asylrechts im Sinne der Rechtskräfte umzusetzen. Den politischen Schlusspunkt dieser reaktionären Entwicklung setzte am 26. Mai 1993 der sogenannte „Asylkompromiss“, mit dem faktisch das Asylrecht in der Verfassung so eingeschränkt wurde, dass man zu Recht von der Abschaffung gesprochen hat. Während die Politik behauptete, damit „Volkes Willen“ umzusetzen, verstanden die rassistischen Kräfte dies als Bestätigung ihres Handelns. Daher war es nicht überraschend, dass drei Tage später, am 29. Mai 1993, vier junge Männer aus der extremen Rechten den Brandanschlag in Solingen auf das Wohnhaus der Familie Genç verübten, bei dem fünf Familienangehörige getötet wurden: Gürsün Ince (26), Hatice Genç (18), Gülüstan Öztürk (12), Hülya Genç (9) und Saime Genç (4).
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