Abenteurer und rasender Reporter
12. Mai 2022
Jürgen Seidel über den Jahrhundertzeugen Walter Kaufmann und dessen Bücher
- Von Sabine Kebir
Weil ich mich mit ihm und Lissy gut verstand, etliche Bücher von ihm rezensiert, Veranstaltungen moderiert und ein ausführliches Video-Gespräch mit ihm geführt hatte, meinte ich, mit Walter Kaufmann eng befreundet gewesen zu sein. Wie vermessen! Diese Überzeugung müssen viele Menschen haben.
Walter war der stärkste Menschenmagnet, der mir je begegnet ist. Davon zeugt – nachdem er uns vor einem Jahr verlassen hat – noch immer seine Literatur, die als unendliche Abfolge von Begegnungen gelesen werden kann. Walter kam ungewöhnlich leicht mit Leuten ins Gespräch und wirkte so vertrauenerweckend, dass sie ihm schnell ihre größten Sorgen mitteilten. Dass diese größten Sorgen immer komplex und voller Widersprüche sind, ist eine Binsenweisheit.
Damit aus einer mehr oder weniger zufälligen Alltagsbegegnung eine Story wird, muss der Schreibende Menschenkenntnis und Interpretationsfähigkeit besitzen. Das erforderliche empathische Talent war Walter angeboren. Aber wie schuf er die erzählerische Spannung? Seine Geschichten beginnen mit unspektakulären Beschreibungen der Alltagssituation, in die er sich selbst begeben hat, schildern die Begegnung und treffen dann plötzlich auf den explosiven Fokus des ihm anvertrauten Gewirrs von – meist gesellschaftlichen – Widersprüchen, in denen sein Gegenüber gefangen ist.
Hier geht es zum Artikel auf nd-online.de: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1163688.ddr-literatur-abenteurer-und-rasender-reporter.html?sstr=kaufmann