Fluchtwege 1933-1945: Drei Gedenktafeln an der Grenze zu den Niederlanden enthüllt
24. Juni 2018
Nach dem Reichstagsbrand und der anschließenden Jagd auf die Funktionäre und Mitglieder der Arbeiterparteien und Gewerkschaften blieb vielen von ihnen nur die Flucht ins benachbarte Ausland, u. a. in die Niederlande. Mit Hilfe deutscher und niederländischer Genossinnen und Genossen gelang ihnen die Flucht vor den Nazi-Schergen. An der Grenze zwischen Ostfriesland und Ost-Groningen wurden bis zur Besatzung der Niederlande im Mai 1940 viele Flüchtlinge unter Einsatz des eigenen Lebens in das Nachbarland gebracht. Die deutsch-niederländische Initiative „Grenzüberschreitende Fluchtwege 1933-1945“ hat sich der Geschichte des antifaschistischen Handelns beiderseits der Grenze angenommen.
Leider sind die Beispiele praktizierter internationaler Solidarität zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten. Erst auf Initiative des ehemaligen wethouders der Gemeinde Reiderland, Hans Heres, wurde im Oktober 2016 eine Gedenktafel an der Schleuse von Nieuwe Statenzijl enthüllt. Das war aber auch der Startschuss für die Gründung der Initiative. AntifaschistInnen aus den beiden Grenzregionen setzten sich zusammen, um die Aufstellung weiterer Gedenktafeln an der Grenze zu planen. Seit dem Februar 2017 treffen sich die Mitglieder, um diese Planungen zu realisieren.
Am 5. Mai 2018 wurden drei Gedenktafeln in Bad Nieuweschans, in Kanalpolder und am Fähranleger in Petkum enthüllt.
An der Noaberbrug zwischen Bad Nieuweschans und Bunde eröffneten Loes Krüger-Smith und Harm Arend Meijer die Enthüllungsveranstaltung, an der ca. 80 Deutsche und Niederländer teilnahmen. Hans Heres wies in seiner Rede auf die Bedeutung des kommunistischen Widerstands auf beiden Seiten der Grenze hin. Nach dem 2. Weltkrieg versuchten die Herrschenden in den Niederlanden diesen Widerstand unter den Tisch zu kehren und vergessen zu machen. Mit dem Erscheinen des Buches „Rode Hulp“ 1986 wurde den Männern und Frauen des antifaschistischen Widerstands in der Region Groningen und der Stadt Emden ein erstes Denkmal gesetzt, das durch die Aufstellung von Gedenktafeln entlang der Grenze ergänzt wird und die breite Öffentlichkeit über die Bedeutung der Fluchthilfe in den Jahren nach 1933 informiert, so Heres.
Außerdem sprachen der stellvertretende Bürgermeister der Gemeinde Bunde Sven Markus und die stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeente Oldambt Laura Broekhuizen-Smit. Sven Markus warnte vor dem Aufkommen rechter demokratiefeindlicher Parteien in Europa und lobte die Gedenktafeln als Beispiel für eine lokalgeschichtliche Gedenkarbeit. Laura Broekhuizen-Smit sagte, dass der Fluchtweg über Bad Nieuweschans ein Ausweg und eine Chance für die Deutschen gewesen sei, die sich dem Hitler-Regime widersetzten. Sie hob die Zusammenarbeit von Deutschen und Niederländern bei der Aufarbeitung dieser Geschichte hervor.
Mello Schwertmann und Harm Roosje, Enkel von Fluchthelfern, enthüllten abschließend die Gedenktafel in Bad Nieuweschans.
Am Buttje Pad begrüßte Tony Kofoet die Anwesenden und erklärte die Bedeutung des Ortes für die Rettung deutscher Antifaschisten nach dem Reichstagsbrand 1933. Er wies auf das plattdeutsche Gedicht „Deze kant Nieuweschans“ hin, das der Initiative vom niederdeutschen Lyriker Gerd Constapel zur Verfügung gestellt und von Jan Schutten ins Niederländische übersetzt wurde. Anschließend berichtete Rikus Kolthoff aus Leer über die Aktivitäten seiner Großeltern und seines Großonkels bei der Flucht in die Niederlande. In dieser sehr beeindruckenden Rede konnten die Anwesenden anschaulich erfahren, wie die Landarbeiter Christian und Ido Reck und ihre Ehefrauen Harmanna und Roelfkea aus Ditzumerhammrich, die Flüchtlinge, die über Petkum gekommen waren, nachts an den Dollart brachten und sie niederländischen Fischern übergaben.
Danach berichtete Hartmut Brückner von der Roten Hilfe aus Hannover über die Bedeutung der Organisation in der heutigen Zeit.
Rikus, Christian und Bernd Kolthoff enthüllten abschließend die Tafel in Kanalpolder am Buttje Pad in Erinnerung an ihre Vorfahren, die ihr eigenes Leben riskierten, um das Leben von Genossen auf der Flucht zu retten.
In Petkum, auf der anderen Emsseite, wurde danach die dritte Erinnerungstafel enthüllt. Der Emder Stadtarchivar Rolf Uphoff begrüßte die Anwesenden und erklärte, „die Tafeln sollen erinnern, informieren und mahnen“. Die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Emden, Andrea Risius, erinnerte daran, dass viele Fluchthelfer ihr eigenes Leben riskierten. Der niederländische Konsul Claas Brons sprach über die Bedeutung des Austausches zwischen niederländischen und deutschen Schulen und Sportvereinen, den es zu intensivieren gelte. Abschließend enthüllte die Tochter des ehemaligen Emder KPD-Funktionärs Johann Steffens, Anita Teichert, die Gedenktafel am Petkumer Fährhafen. (TK) Fotos: © VVN-BdA Ostfriesland
Weitere Informationen zu den Gedenktafeln gibt es auf der Website der Initiative Fluchtwege 1933- 1945: