Redebeitrag der VVN-BdA zum Antikriegstag (01.September) am 31.08.2013 in Engerhafe

18. September 2013

Am 31.08.2013 fand auf dem Gelände des ehemaligen Arbeitslagers  Engerhafe (Außenstelle des KZ Neuengamme) die diesjährige Kundgebung des DGB Ostfriesland/Nördliches Emsland statt. Als Hauptredner war unser Kamerad Folkert Heller eingeladen.

Liebe Friedensfreund/inn/e/n!

Wir haben uns heute hier versammelt zum mahnenden Andenken an den 01. September 1939, den Tag als mit dem Überfall der Hitler-Wehrmacht auf Polen der 2. Weltkrieg begann.

Aber nicht nur dieser Jahrestag bewegt uns, sondern zugleich sind wir um den gegenwärtigen Frieden im nahen Osten insbesondere in Syrien besorgt.Die erste Kriegsmeldung, die am 01. Sept. 1939 aus allen Lautsprechern des faschist. Rundfunks ertönte, enthielt den wichtigen Satz: “ Seit 5:45 Uhr wird zurückgeschossen.“ Damit sollte der Eindruck hervorgerufen werden, als sei der Einmarsch der Wehrmacht nach Polen vor allem eine Reaktion auf vorangegangene polnische Militäraktionen gegen Deutschland. Tatsächlich war in den vorhergehenden Tagen der grenznahe Radiosender „Gleiwitz“ von Soldaten in polnischen Uniformen überfallen worden. Heute weiß man, dass in den Uniformen deutsche SS-Männer steckten. Mit dieser Täuschungsaktion wurde so ein Vorwand für den deutschen Überfall auf Polen konstruiert. Wie so oft wurde auch in diesem Fall die Wahrheit das erste Opfer des Krieges. Aus dem Polenüberfall vom 01. Sept. 1939 entwickelte sich über militärische Bündnis- und Beistandsverpflichtungen sehr schnell ein Weltkrieg, der sechs lange Jahre dauerte:

  • Etwa 60 Mio. Tote, davon etwa die Hälfte Zivilisten waren am Ende zu beklagen.

  • Darunter waren mind. 6 Mio. Menschen, die als Opfer des faschistischen Rassenwahns in Vernichtungslagern umgebracht wurden.

  • Unzählige Frauen und Männer wurden aus politischen Gründen überall in Europa von den faschistischen Sicherheitsorganen verfolgt, eingesperrt oder gar umgebracht.

  • zig.Tausende von Zivilisten verloren ihr Leben in den Bombennächten oder auf der Flucht.

  • Mio. gefallene Soldaten waren am Ende des Krieges zu beklagen.

Diese sicher nicht vollständige Auflistung der Ergebnisse des 2. Weltkriegs ließ bei den beteiligten Völkern die Erkenntnis reifen:

Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

Auch die große Mehrheit des deutschen Volkes stand hinter dieser Forderung. Dennoch zogen mit der schon Ende der 40er-Jahre heraufziehenden Ost-West-Konfrontation neue Gefahren für den Weltfrieden herauf:

  • Die drei von den Westalliierten besetzten westdeutschen Zonen folgten im Zuge ihres Wiederaufbaus zunehmend dem angloamerikanischen, kapitalistischen Wirtschaftsmodell. So entstand 1949 die westdeutsche Bundesrepublik mit ihrem im gleichen Jahr verabschiedeten Grundgesetz. Darin wurde eine wie auch immer geartete westdeutsche Armee mit keinem Wort erwähnt.

  • Im selben Jahr wurde im sowjetisch besetzten Ostdeutschland die „Deutsche Demokratische Republik“ gegründet. Die Richtschnur für die DDR Entwicklung bildete weitgehend das sowjetische Sozialismusmodell.

  • Inzwischen waren die gegensätzlichen Interessen zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion so groß geworden, dass man zur Kennzeichnung des Verhältnisses bereits von einem kalten Krieg sprach. Die Westalliierten schlossen sich bereits 1949 zu einem Nordatlantischen Verteidigungsbündnis, genannt NATO, zusammen.

Auch in den 50er Jahren war das pazifistische Motto „Nie wieder Krieg“ bei der großen Mehrheit der Deutschen noch fest verankert. Deshalb stießen die in diesen Jahren von der CDU-FDP-Bundesregierung unter Kanzler Adenauer verfolgten Pläne zur Schaffung der westdeutschen Bundeswehr und zum NATO-Beitritt bei der Mehrheit der Bevölkerung auf erheblichen Widerstand. Trotzdem setzte Bundeskanzler Adenauer 1955 die Remilitarisierung Westdeutschlands im Parlament mit der Mehrheit der Abgeordnetenstimmen seiner Regierungskoalition durch. Die Eingliederung der wiederbewaffneten Bundesrepublik in die NATO war für die sogenannten Ostblockstaaten unter Führung der Sowjetunion der Anlass noch im gleichen Jahr 1955 ebenfalls einen militärischen Beistandspakt, den sogenannten „Warschauer Pakt“ zu gründen.In der DDR wurde 1956 die Nationale Volksarmee (NVA) gegründet und im gleichen Jahr der Beitritt zum Warschauer Pakt vollzogen. Statt des „Nie wieder“ war der Krieg grundsätzlich wieder zu einer Möglichkeit geworden – wenngleich das atomare „Gleichgewicht des Schreckens“ bis heute einen großen weltweiten Krieg verhindert hat. Aber lokal begrenzte Kriege hat es seit dem Ende des 2. Weltkrieges immer wieder gegeben, ja man gewinnt den Eindruck, dass solche Kriege seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zugenommen haben und auch die seit der Wende nunmehr gesamtdeutsche Bundeswehr ist immer öfter in militärische Auslandseinsätze verwickelt. Dabei sind die rechtlichen Begründungen für solche Auslandseinsätze im Laufe der Jahre immer zweifelhafter geworden. Das mit Gründung der Bundeswehr geänderte Grundgesetz erkannte nur die Verteidigung der Bundesrepublik als Grund für den Einsatz der Bundeswehr an. Im Zuge der bundesdeutschen NATO-Mitgliedschaft wurden aber auch BW-Auslandseinsätze denkbar, wenn für die NATO der Verteidigungsfall erklärt würde.

Unabhängig davon kennen die Vereinten Nationen nur 2 Arten von völkerrechtskonformen Militäreinsätzen:

  1. Verteidigung des eigenen Landes

  2. Durch den UN-Sicherheitsrat beschlossene Militäraktionen durchgeführt von Truppen

aus UN-Mitgliedsländern

So gesehen war z.B. die Beteiligung der Bundeswehr am NATO-Militäreinsatz 1999 gegen Serbien zugunsten der Kosovo-Albaner eindeutig völkerrechtswidrig, weil der NATO ein entsprechendes UNO-Mandat dafür fehlte. Auch wenn die NATO eine Art Schutzverantwortung für die bedrohten Kosovo-Albaner geltend machte reicht das nicht als Begründung für eine legitime Militäraktion. Ein weiterer völkerrechtlich zweideutiger Fall ist der Einsatz verschiedener NATO-Truppenteile in Afghanistan –darunter auch Bundeswehr- während des von US-Präsident Bush nach dem 11. September 2001 erklärten „Kriegs gegen den Terrorismus“. Vorausgegangen war, dass der US-Präsident nach dem Terroranschlag auf die NYer Twin-Towers für die NATO die Feststellung des Verteidigungsfalles durchgesetzt hatte. Erst nachdem die Truppenverlegungen schon angelaufen waren, wurde ein UN-Mandat für den Afghanistan-Einsatz beim Sicherheitsrat erwirkt.

Noch eine Bemerkung am Rande: Dieselben afghanischen Gotteskrieger die Präsident Bush 2002 als Terroristen bezeichnete, wurden rund 15 Jahre früher von US-Politikern als „Freiheitskämpfer“ gelobt und unterstützt. Damals nämlich kämpften sie gegen sowjetische Besatzungssoldaten.

Das größte Problem bei diesem Krieg gegen den Terrorismus liegt aber woanders: Wer oder was ist denn der Feind, gegen den sich die NATO verteidigen will. Sind die Feinde Militärangehörige – dann wären sie im Falle der Gefangenahme als Kriegsgefangene gemäß den Vorschriften der Genfer Konvention zu behandeln oder sind Terroristen Schwerverbrecher? – dann muss ihnen nach ihrer Ergreifung ein ordentlicher Prozess mit anschließender Verurteilung gemacht werden. Im übrigen führt man keinen militärischen Krieg gegen Schwerverbrecher sondern bekämpft sie mit Polizeikräften. Wie auch immer – die Verweigerung einer Klärung der hier aufgeworfenen Fragen darf nicht zu neuen Verbrechen gegen Grund- und Menschenrechte führen; sei es in dem Terroristen und ihr familiäres Umfeld durch Drohnen umgebracht werden oder sei es, dass gefangene des Terrorismus Verdächtigte in Foltergefängnissen wie Guantanamo schlimmer wie Tiere behandelt werden.

Im Zuge der politischen Auseinandersetzungen um Militäreinsätze gegen Terroristen wird von Politikern und Militärs immer wieder behauptet, hierbei handle es sich um eine ganz neue Art von Krieg – manchmal auch „asymmetrischer Krieg“ genannt. Dieser erfordere ganz neue Regeln und Taktiken, die von den bisher gültigen Vorschriften und Gesetzen nicht erfasst würden. Falsch daran ist, dass es diese Form des Krieges schon seit Jahrhunderten gibt und zwar immer dann wenn sich eine militärisch unterlegene Kriegspartei – z.B. ein besetztes Volk- gegen die militärisch übermächtige Partei – z.B. eine Besatzungsarmee- zur Wehr setzt. Dabei geht die schwächere Partei nach der sogen. Guerilla Taktik manchmal auch mit Terroranschlägen vor. Keinesfalls dürfen solcherart Diskussionen dazu führen, dass Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht mehr klar als solche benannt werden.

Ich hatte zu Beginn meiner Ausführungen darauf hingewiesen, dass die Wahrheit i.d.R. das erste Opfer militärischer Aggressionen ist. Eben dies steht auch zu befürchten, falls es dieser Tage zu einer militärischen Koalition der Willigen unter der Führung der USA gegen Syrien käme. Selbst wenn der von den USA gegen die syrische Regierung erhobene Vorwurf eines Giftgas-Einsatzes gegen die regierungsfeindlichen Rebellen zutreffen würde, so wäre ein so begründeter Militäreinsatz ohne UNO-Mandat immer noch völkerrechtswidrig. Außerdem wäre durch die beispielsweise von Uno-Inspekteuren festgestellte Tatsache, dass Giftgas im syrischen Bürgerkrieg eingesetzt wurde, noch nichts darüber ausgesagt, welche der sich gegenseitig beschuldigenden Bürgerkriegsparteien nun wirklich für den Giftgaseinsatz verantwortlich ist. Zudem erscheint die gegenwärtige militärische Lage eher günstig für die syrische Regierungsseite. Deshalb wäre der militärische Nutzen eines Giftgaseinsatzes für die syrische Regierung nur sehr begrenzt, während der politische Schaden immens ist. – zumal sich in diesen Tagen gerade die UNO-Inspekteure in Syrien aufhalten. Am Ende könnte es der Obama-Regierung so ergehen wie 2003 jener Militärkoalition der Willigen, die unter Führung der USA in den Irak einmarschierten, weil sie der damaligen irakischen Regierung vorwarfen, Massenvernichtungswaffen herzustellen und zu lagern. Binnenweniger Tage war das Land nahezu vollkommen besetzt.

Jedoch weder die Militärs noch die ins Land eingereisten Waffeninspekteure konnten stichhaltige Beweise für Massenvernichtungswaffen finden. Übrigens der damalige Premierminister Großbritanniens Tony Blair, der sich als Juniorpartner an der Irak-Invasion beteiligt hatte, hat seitdem bei den Briten den Spitznamen Tony Blier (Kombination aus Blair und Lier). Vielleicht ist es auch Erinnerung an die Irak-Invasion 2003 die das britische Parlament veranlasst hat, diesmal ihren derzeitigen Premierminister David Cameron aus einer gegen Syrien gerichteten Militärkoalition zurückzupfeifen.

Trotz der unglaublichen Vielfalt an Lügen und Vorwänden für militärische Angriffe im Laufe der Geschichte sind die wahren Gründe fast immer die gleichen geblieben, nämlich die Eroberung von Rohstofflagern, Handelswegen, Absatzmärkten und/oder militärstrategisch wichtigen Positionen bzw. Gebieten.

Ich denke, dass man nach den bisherigen Ausführungen dem im DGB-Aufruf-Flugblatt zitierten Satz von E.M. Remarque nur zustimmen kann. Remarque sagte: “ Ich sehe, daß die klügsten Gehirne der Welt Waffen und Worte finden um das alles noch raffinierter und länger dauernd zu machen“. Dass dies alles nicht so bleiben muss, liegt schließlich aber auch an uns selbst, an der Friedensbewegung!

Wir erleben z.Zt. eine der größten Weltwirtschafts- und Finanzkrise mit millionenfacher Massenarbeitslosigkeit – und es scheint so zu sein, dass in solchen Krisenzeiten die Neigung mancher Politiker zu militärischen Abenteuern zunimmt. Dabei ist ein ständig wachsender Einfluss des Militärs auf viele Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft zu beobachten. Dem versuchen wir als Friedensbewegung durch gemeinsame Forderungen entgegenzuwirken: zum Beispiel

  • Die Bundeswehr muss wieder aufdie Landesverteidigung beschränkt werden.

  • Auslandseinsätzenur mit UNO-Mandat.

  • vollständiger Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

Die Bundesrepublik hat sich in den vergangenen Jahren zum drittgrößten Rüstungsexporteur(nach USA und Russland) entwickelt. Dagegen fordern wir:

  • Rüstungsproduktion durch zivile Produktion ersetzen.

  • Keine Lieferung von Rüstungsgüternin undemokratische Länderin denen die Menschenrechte verletzt werden oder die andere Völkermilitärisch bedrohen.

Immer mehr Hoch- und Fachschulinstitute betreiben Auftragsforschung für das Militär. Dagegen setzen wir die Forderungen:

  • Zurückweisungvon militärischen Forschungsaufträgen.

  • Verankerung von sogen. Zivilklauselnin der Grundordnung der Hochschulen.

Im Zuge der auch in der Bundesrepublik zunehmenden Jugendarbeitslosigkeitintensiviert die Bundeswehrihre Nachwuchswerbungmit immer aggressiveren Methoden. Dagegen fordern wir:

  • Die Bundeswehrhat im Unterrichtund auf den Schulhöfennichts zu suchen.

  • Keine Bundeswehrnachwuchswerbung bei minderjährigenJugendlichen.

Immer wieder hört man von Planspielen der Behörden, bei denen ein Bundeswehreinsatzauch bei Streiks und Demonstrationen vorgesehen ist. Dazu sagen wir:

  • Kein Bundeswehreinsatzgegen die eigene Bevölkerung.

Gemäß unserem dieser Veranstaltung voran gestellten Motto:“Nie wieder Faschismus…“sollten wir auch als Friedensbewegung mit geeigneten Parolenklar Stellung beziehen gegen den oft in Krisenzeiten zunehmenden Neofaschismus. Beispiele:

  • Nazis rausaus….

  • Gegen Neofaschismusund Nationalchauvinismus

  • Gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit

Abschließend möchte ich schon jetzt darauf hinweisen, dass wir im nächsten Jahr 2014

zwei für unsere Friedenspolitik eminent wichtige Jahrestageim Hinterkopf haben sollten, nämlich:

  1. Im August den 100. Jahrestag des Beginns des 1. Weltkriegsund

  2. Am 1. Sept. den 75. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkriegs

Sorgen wir durch vielfältige Friedensaktivitätendafür, dass 2014zu einem echten Friedensjahr wird.

In diesem Sinne, liebe Friedensfreunde/innen bedanke ich mich für Eure Aufmerksamkeit.